Stadtrat und Vorsitzender des Jugendhilfeausschuss in Dessau-Roßlau

Sorge um Schulsozialarbeit

Veröffentlicht von GeorgeBastian am

Im Januar 2022 musste der Jugendhilfeausschuss mit Betroffenheit zur Kenntnis nehmen, dass demnächst ein erheblicher Teil der Fördergelder für die Schulsozialarbeit wegfällt. Das Land fördert Schulsozialarbeit zwar weiterhin, legt aber künftig einen Eigenanteil von 20% als Fördergrundlage fest. Die Mehrkosten sind im Haushalt derzeit nicht eingeplant.

Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sind sich mit der Verwaltung des Jugendamtes darüber einig, dass diese wichtige und erfolgreiche Arbeit jedoch mindestens im bisherigen Umfang erhalten werden muss. Einen entsprechenden Antrag, der die erforderlichen Mehrkosten bereitstellen soll, hat der Ausschuss in seiner letzten Sitzung auf den Weg gebracht.

Worum geht es?

Im Sommer 2022 beginnt die neue Förderperiode des Europäischen Sozialfonds (ESF). Der ESF ist ein umfangreiches EU-Förderprogramm, um Beschäftigung zu sichern. In Sachsen-Anhalt wird über diesen Fonds unter anderem Schulsozialarbeit mit dem Ziel finanziert, dass mehr Schülerinnen und Schüler einen qualifizierten Abschluss schaffen und letztlich Arbeitslosigkeit vermieden wird.

In Dessau-Roßlau gibt es seit mehr als zehn Jahren Schulsozialarbeit. Dabei wurden 15 Stellen aus dem genannten EU-Programm gefördert, weitere 6 Stellen leistet sich die Stadt mit eigenen Mitteln. Schulen, Stadtverwaltung und Jugendhilfeausschuss sind überzeugt, dass hier wichtige und wirkungsvolle Arbeit geleistet wird. Eine Studie im Auftrag des Landes belegte vor einigen Jahren, dass Fehlzeiten, Verhaltensauffälligkeiten und Leistungsschwächen zurückgegangen sind, dass soziale Kompetenzen gestärkt wurden und sich das Miteinander zwischen Schulen, Eltern und Jugendhilfe sich verbessert hat. Die Quote der Jugendlichen, die ihre Schule ohne Abschluss verlassen, konnte allerdings nicht gesenkt werden. Dafür sind wohl andere Maßnahmen nötig, wie etwa ein deutlich anderer Umgang mit besonderen Förderbedarfen, Förderschulen und inklusiver Pädagogik.

Wirkung und Bedeutung der Schulsozialarbeit lassen sich jedoch nicht vorrangig an Kennzahlen messen. Nein, die Ergebnisse sozialer Arbeit finden sich im Leben einzelner Kinder und Jugendlicher. Da findet ein Kind nicht in die Gruppe hinein oder ist von Mobbing in der Klasse betroffen. Ein anderes Kind hat Angst, mit den Eltern über seine Situation in der Schule zu sprechen. Ein Jugendlicher sieht keinen Sinn in der geforderten Leistung und ist auf der Suche nach seinem eigenen Lebensziel. Kinder lernen selbstständig Konflikte unter Kindern zu schlichten. Jugendliche setzen sich mit ihren Drogenerfahrungen auseinander, ohne dass die Lehrerin zuhört. Nicht zuletzt haben Lehrerinnen und Lehrer eine Ansprechperson, um über ihre Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern oder das Miteinander im Team nachzudenken.

Anders als Lehrkräfte sind Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter nicht Bedienstete des Landes, sondern bei freien Trägern oder der Stadt angestellt. Sie haben also eine Rolle, die gegenüber der Schule unabhängig ist. Sie geben keine Zensuren und beaufsichtigen keine Klassen. Wenn es gut läuft, sind sie Teil des Teams und bringen ihre Möglichkeiten jederzeit ein, nicht erst wenn es brennt und Lehrkräfte nicht weiter wissen. „Schulerfolg sichern“ ist der Titel des Förderprogramms, und sicherlich denken viele hier zunächst an das Abschlusszeugnis. Erfolgreich ist Schule aber nur dann, wenn sie das Leben von Schülerinnen und Schülern ebenso wie von Lehrerinnen und Lehrern gut gestaltet.

Im Dezember hat das Bildungsministerium des Landes die neue Ausschreibung für Fördermittel gestartet. So erfuhr die Stadt Dessau-Roßlau erst kurz nach Beschluss des eigenen Haushaltsplanes, dass nunmehr 20% der Kosten von der Stadt zu tragen sind und eine Stelle gar nicht mehr finanziert werden kann. So lässt sich Schulsozialarbeit nicht langfristig erhalten. In anderen Bundesländern ist sie längst fester Bestandteil des Haushaltes von Land und Kommunen.

Es kommt jetzt darauf an, diese Finanzierungslücke zuverlässig zu schließen und für die Zukunft unabhängig von Projektförderungen zu werden. Zusammen mit dem Jugendamt setzen wir uns dafür ein, dass Schulsozialarbeit nachhaltig finanziert und erhalten wird und dass die hier tätigen Fachkräfte als Partner verstanden werden, die zur Erfüllung des pädagogischen Auftrags von Schulen notwendig sind.

Tobias Nahlik und Bastian George
Bündnis 90/DIE GRÜNEN Mitglieder des JHA

Kategorien: Allgemein

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