Vorsitzender der Stadtratsfraktion und des Jugendhilfeausschusses in Dessau-Roßlau

Wir suchen keine Eintagsfliegen

Veröffentlicht von GeorgeBastian am

Netzwerk GELEBTE DEMOKRATIE bekommt zusammen mit anderen Preisträgern die Auszeichnung „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2011“ überreicht

Stellvertretend für das gesamte Netzwerk GELEBTE DEMOKRATIE nehmen Daniel Kutsche, Bastian George und Steffen Andersch (v.r.n.l.) die Urkunde entgegen. Jens Ackermann (r.) hielt die Laudatio.

Am 01. November 2012 ist der altehrwürdige Ratssaal zu Wittenberg gut gefüllt, sind doch immerhin fast 60 Gäste in die Lutherstadt gekommen, um der Würdigung von Demokratieprojekten aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg beizuwohnen. Die Initiativen von Lübbenau bis Potsdam, von Ilsenburg bis Wolmirstedt, hatten alle Beiträge im Rahmen des Wettbewerbes „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2011“  eingereicht und am Ende die kompetente Fachjury überzeugt. Die Vereine, Schulklassen und Bürgerbündnisse dürfen sich jetzt nicht nur über attraktive Preise freuen, sondern vor allem über ein gerütteltes Maß an mehr Aufmerksamkeit für ihre nachahmenswerten Konzepte.

Wittenbergs Oberbürgermeister  Eckhard Naumann ist sich in seiner Begrüßung zunächst sicher: „Eigentlich müsste das hier heute eine Massenveranstaltung sein.“ Was zunächst wie eine humoristisch-sportliche Eröffnungsnote daherkommt, hat für den SPD-Politiker einen durchaus ernsten Hintergrund. Menschen die sich aktiv in demokratische Aus- und Mitgestaltungsprozesse im Gemeinwesen einbringen würden, wären leider in der Minderzahl. Zu oft würde eben nicht hingeschaut und Zivilcourage auch wirklich gelebt. Deshalb ist der Festakt für das Stadtoberhaupt ein wichtiges Zeichen, dass es eben auch anders geht. Überraschend reflexiv und selbstkritisch geht Neumann dann auch mit der eigenen Stadthistorie ins Gericht: „Die Unterstellung, Reformation wäre gleichzusetzen mit Toleranz, trifft nicht zu. Luther hatte auch kritische Seiten, vor allem sein Verhältnis zu Juden.“ Dieser christliche Antijudaismus werde im Zuge der Lutherdekade erstmals breiter diskutiert. Im Sprachbild bleibend, macht der Kommunalpolitiker abschließend noch einen Schwenk in die Jetztzeit: „Die heutige Reformation kann nur ein Bildungsprogramm sein.“ Wenn die komplexen Sachzusammenhänge in der heutige Gesellschaft mit all den neuen und anderen Anforderungen dazu führten, dass sich immer Menschen von demokratischen und humanistischen Werten entfernten, sei dies eine besorgniserregende Entwicklung: „Dann laufen die Leute platten, rechten Parolen hinterher.“

„Es gab Schlüsselerlebnisse wie die Ermordung von Alberto Adriano in Dessau und einen Anschlag auf eine Synagoge“, sagt Dr. Gregor Rosenthal. Der Geschäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT) geht damit auf die Geburtsstunde der Initiative der Bundesregierung ein, die nunmehr seit 12 Jahren existiere. Der enge und transparente Austausch mit zivilgesellschaftlichen Initiativen sei dabei von Anfang ein zentraler Leitgedanke gewesen. In dieser Logik haben man sich schließlich dafür entschieden, einen jährlichen Wettbewerb auszuloben um die Demokratiebemühungen auch ganz praktisch vor Ort unterstützen und protegieren zu können. Die Gesamtbilanz des Wettbewerbes könne sich dabei durchaus sehen lassen. Seit 2001 hätten demnach 3448 Projekte ihre Beiträge eingereicht, davon 350 allein in diesem Jahr. Aus Sachsen-Anhalt sind es für 2012 insgesamt 25 Einreichungen.

Für 2013 hat das Bündnis nach den schrecklichen Erfahrungen mit den NSU-Morden den Schwerpunkt Rechtsextremismus gesetzt „Wir wollen zusammen mit der Zivilgesellschaft überlegen, wie präventiv ausgelegte und praxisnahe Angebote in diesem Segment besser greifen können.“, so Dr. Gregor Rosenthal. Darüber hinaus möchte sich das BfDT, das erst kürzlich dem Zuständigkeitsbereich der Bundeszentrale für politische Bildung zugeordnet wurde, intensiver mit dem Phänomen des Antiziganismus auseinandersetzen.

Die Analyse des Laudators und Bundestagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt, Jens Ackermann, fällt eindeutig aus: „Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, was im Harz funktioniert kann womöglich auch in der Börde klappen.“ Der FDP-Politiker wünscht sich zudem, dass die Projekte den Preis auch so übersetzen, wie er gemeint ist: „Das ist eine Würdigung ihres alltäglichen Engagements an der Basis.“  Schließlich, so das aktive BfDT-Beiratsmitglied weiter, setze das Bündnis vor allem auf nachhaltige Strukturen im Bereich der Demokratieinitiativen: „Es geht darum, dass sich Netzwerke die bereits existieren weiterentwickeln. Wir suchen also keine Eintagsfliegen.“

Ganz gewiss keine Eintagsfliege ist in diesem Duktus das Netzwerk GELEBTE DEMOKRATIE aus Dessau-Roßlau. Der Zusammenschluss aus über 50 engagierten Mitgliedsorganisationen und Einzelpersonen, der sich vor fast drei Jahren im Alten Theater der Doppelstand an Elbe und Mulde gründete, hat sich quasi als Gesamtkunstwerk an der 2011-Auflage des Wettbewerbes beteiligt und schließlich einen mit 3000 Euro dotieren Preis errungen. „Mich hat ihr Netzwerkslogan `Demokratie ist, was Du draus machst` beeindruckt, symbolisiert er doch die Botschaft: Hoch vom Sofa.“, sagt Jens Ackermann. Dass der Feuerwehrhauptmann zusammen mit der IHK und dem Aktivisten einer Migrantenselbstorganisation Gesicht für eine demokratischere Alltagskultur zeige, sei eine einfache und zugleich wirksame Strategie.

In diesem Sinne ist wohl auch das kurze Statement von Daniel Kutsche zu verstehen, der auf die Frage welche Schwerpunkte den zukünftig auf der GELEBTEN DEMOKRATIE-Agenda ganz weit oben stünden, genau so kurz wie prägnant antwortete: „Unser Netzwerk ist einfach immer in Bewegung.“


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